Brennnesselfasern gewinnen und Seil daraus herstellen

Brennnessel Schnur aus Brennnesselfasern

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Brennnessel wird von Menschen seit Jahrtausenden als Nahrungspflanze, Heilpflanze und Nutzpflanze zur Fasergewinnung verwendet.
  • In diesem Ratgeber erfährst du, wie du Fasern aus Brennnesseln gewinnst und Schnur bzw. Seil daraus herstellen kannst.
  • Du kannst das Brennnesselseil aus feuchten oder getrockneten Brennnesselfasern herstellen.
  • Stellst du das Brennnesselseil aus bereits getrockneten Fasern her, behält es seine Stabilität.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Die Brennnessel als Faserpflanze
  2. Fasergewinnung von großer Brennnessel (Urtica dioica)
  3. Nasse Fasern vs. trockene Fasern
  4. Drillen von Brennnesselschnur / Brennnesselseil
  5. Weiterverarbeitung zu Garn, Stoff, Kleidung
  6. Alternative Faserpflanzen und andere Naturfasern
  7. Fazit

Die Brennnessel als Faserpflanze

In der Steinzeit:

Schon in der Steinzeit wussten unsere Vorfahren, wie die Brennnessel auf verschiedene Weise genutzt werden kann. So als Nahrungspflanze, Heilpflanze oder zur Fasergewinnung. Bereits Ötzi (der Mann im Eis) befestigte Federn mithilfe von Brennnesselfasern an seinem Pfeil, damit dieser besser fliegt.

Im Mittelalter:

Im Mittelalter war die Brennnessel eine viel verwendete Faserpflanze. Zu jener Zeit waren es vor allem die ärmeren Gesellschaftsschichten, die aus den Nesselfasern Schnüre, Seile, Garne, Gewebe, Stoffe und Kleidung herstellten.

Brennnesseln wuchsen auch damals schon überall und konnten leicht geerntet werden.

In der Regel wurde Kleidung im Mittelalter aus Leinen (Flachs), Hanf und Baumwolle gefertigt. Wer sich diese Materialien nicht leisten konnte, nutze Fasern aus Brennnesseln und stellte daraus seine Kleidung her.

Zu jener Zeit war es sowieso üblich, dass der einfache Pöbel seine Kleidung in Heimarbeit selbst fertigte.

Märchen von Hans Christian Anderson oder den Gebrüdern Grimm weisen ebenfalls darauf hin, dass vor Jahrhunderten Kleidung aus Brennnesselfasern hergestellt wurde.

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts:

Zur Zeit des ersten Weltkriegs erlebte die Brennnessel als Faserpflanze eine Renaissance. Tausende Soldatenuniformen mussten hergestellt werden und die Brennnessel kam hier gerade richtig.

Brennnesseln auf Brennnesselfeldern angebaut wachsen schnell und bieten somit eine zeitnahe und günstige Lösung, um Stoffe in großen Mengen für das Militär anzufertigen.

Auch im zweiten Weltkrieg fand die Brennnessel Verwendung. Von den Nazis wurden Aktionen für das Sammeln großer Mengen heimischer Heilkräuter angeregt, um weniger abhängig von Importen zu sein.

Zu den begehrten Heilkräutern vor und während des zweiten Weltkriegs gehörte ebenfalls die Brennnessel.

Brennnessel Fasergewinnung Anleitung

#1 Erntezeit und Wahl der richtigen Brennnesseln

Erntezeit, um Brennnesseln als Nahrungsquelle zu nutzen, ist in Deutschland zwischen Mai bis September. Dann steht die Pflanze im vollen Saft. Im Frühjahr eignen sich Brennnesseln gut für die Zubereitung von Brennnesselsalat, Brennnesselspinat oder Brennnesseltee.

Brennnesselsamen werden nach der Blüte im Sommer im September und Oktober geerntet.

Für die Fasergewinnung können auch ältere Pflanzenstängel Verwendung finden. Abgestorbene Brennnesselstängel im Schnee sind geradezu ideal zur Fasergewinnung, da die Pflanzen bereits getrocknet sind.

#2 Brennnesseln, die sich gut zur Fasergewinnung eignen

Besonders gut zur Fasergewinnung eignen sich die ausgewachsenen Pflanzen der Großen Brennnessel (Urtica dioica). Diese auch in Deutschland viel vertretene Brennnesselart kann Wuchshöhen von über drei Metern erreichen.

Generell gilt bei der Auswahl der Pflanzen zur Fasergewinnung: Je größer und je dicker der Stängel, desto besser.

Ausgewachsene Brennnesseln mit dicken Stängeln liefern lange und stabile Fasern, die sich später gut zu Wolle, Schnur bzw. Seil weiterverarbeiten lassen.

#3 Ernte der Brennnesseln zur Fasergewinnung

Ab dem Frühjahr kannst du Brennnesseln ernten, die frisch im Saft stehen. Von diesen frischen Brennnesseln lassen sich die Fasern besonders gut ernten.

Bis Ende Herbst wachsen Brennnesseln, bevor sie im Winter absterben. Um sicherzustellen, dass die Brennnessel wieder nachwachsen kann, schneide den Stängel etwa 10 cm über dem Boden ab.

Ernte die Brennnesseln nicht, indem du sie mitsamt der Wurzeln ausreißt (außer du benötigst die Wurzeln zur Weiterverarbeitung zu z.B. Brennnessel-Extrakt aus Brennnesselwurzeln).

Auch die im Winter abgestorbenen Stängel lassen sich prima zur Fasergewinnung nutzen.

Hier besteht zudem der Vorteil, dass du nicht erst die Blätter entfernen musst. Außerdem sind abgestorbene Brennnesseln bereits getrocknet (geröstet).

Die Fasern von solchen Winterbrennnesseln kannst du also direkt weiterverarbeiten, ohne sie zuvor trocknen zu müssen.

#4 Entblättern der Brennnesseln

Kappe den oberen und dünnsten Teil der geernteten Pflanze. Du brauchst nur die stabilen Fasern vom starken Abschnitt des Brennnesselstiels.

Entferne dünnere Verzweigungen und Blätter, ohne dabei die äußere Schicht des Stängels zu beschädigen. Das kannst du entweder vorsichtig mit dem Messer erledigen oder mit den Händen.

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#5 Batonen (weichklopfen) der Stängel

Die begehrten Fasern liegen unter der dünnen Außenschicht des Stängels. In der Mitte befindet sich das holzige Pflanzenmaterial, welches der Pflanze ihre Stabilität verleiht. Das holzige Pflanzenfleisch muss entfernt werden.

Hierzu wird der Stängel auf ein Stück Holz gelegt (Stein ist ungeeignet, da die Fasern auf einem steinigen und harten Untergrund beschädigt werden können) und mit einem anderen Stück Holz weichgeklopft.

Bei dieser Technik spricht man auch vom Batonen (eine bekannte Bushcraft-Technik).

Im Unterschied zum Batonen mit dem Messer wird hier nur der Stängel mit einem Stück Holz batont, damit sich die Fasern besser davon lösen.

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Klopfen der Brennnesseln, um die Fasern herauslösen zu können
Klopfen mit Holz (batonen), um später die äußeren Fasern leichter vom Stängel lösen zu können.

#6 Stängel mittig aufspalten und Fasern entnehmen

Spalte die batonten Stängel über die gesamte Länge mittig mit dem Fingernagel auf. Im Anschluss kann durch Drücken das Pflanzenfleisch entfernt werden und übrig bleiben nur noch die Fasern.

Gehe auch bei diesem Schritt sorgfältig vor, denn übriggebliebene Pflanzenreste an den Fasern beeinträchtigen später die Qualität bei der Herstellung von Garn, Schnur oder Seil.

#7 Rösten (trocknen) der Fasern

Immer wenn du die Zeit hierfür hast, solltest du die Fasern vor der Weiterverarbeitung trocknen. Bei der Trocknung von Pflanzenfasern für die Weiterverarbeitung zu Garn, Schnur, Seil, Stoff oder Kleidung spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Rösten.

Durch das Rösten können besonders feine und strapazierfähige Fasern aus der Pflanze gewonnen werden. Der Röstprozess dauert abhängig von Stärke der Fasern und klimatischen Bedingungen zwischen einer bis zwei Wochen.

Brennnessel Fasern rösten Anleitung:

  1. Ernte der ausgewachsenen Brennnesseln (etwa 10 cm über dem Boden abschneiden).
  2. Entfernen von Verzweigungen und Blättern.
  3. Auslegen der Stängel auf dem Boden.
  4. Tägliches Wenden der Stängel.
  5. Die Brennnesseln sollten während dem Rösten weder direkter Sonneneinstrahlung noch Nässe ausgesetzt sein.
  6. Der Röstprozess ist abgeschlossen, wenn die Pflanzen getrocknet sind (in der Regel nach spätestens 2 Wochen).

Anstatt die Stängel komplett zu trocknen, können alternativ auch zuerst die Fasern wie beschrieben aus der Pflanze gelöst und anschließend zum Trocknen aufgehängt werden.

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Fasern ohne die Pflanze sogar noch schneller trocknen. Wähle auch hier einen trockenen und vor Sonneneinstrahlung geschützten Ort.

Trocknen (rösten) der Brennnesselfasern vor der Weiterverarbeitung zu See, Schnur, Garn
Ein besseres Ergebnis wird erzielt, wenn die Fasern vor der Weiterverarbeitung zu Schnur bzw. Seil getrocknet werden.

Nasse Fasern vs. trockene Fasern

In einer Überlebenssituation muss genommen werden, was gerade vorhanden ist. Dann soll es schnell gehen und du hast keine Zeit zum Trocknen von Fasern. Seile, die du jedoch aus nassen Pflanzenfasern herstellst, haben nur eine geringe Haltbarkeit, da sie sich im Zuge der Trocknung später lockern.

Diesen Effekt kannst du sehr gut nachvollziehen, indem du eine Schnur aus nassen und eine Schnur aus getrockneten Fasern drillst.

Die gedrillte Schnur aus getrockneten Fasern wird ihre Spannung behalten, während sich die gedrillten Stränge aus den nassen Fasern nach einigen Tagen lösen.

Seil aus nassen Pflanzenfasern vs. Seil aus getrockneten Pflanzenfasern im Vergleich
Links: Nasse Pflanzenfasern (Brombeere) zu Seil verarbeitet haben sich wieder gelöst / Rechts: Getrocknete Pflanzenfasern (Agave) zu Seil verarbeitet behalten ihre Struktur und Spannung

Drillen von Brennnesselschnur / Brennnesselseil

Um Schnur aus den Brennnesselfasern zu drillen, nehme immer zwei gebündelte Faserstränge und verdrehe diese gegeneinander.

Bevor die Fasern aufgebraucht sind, lege neue Faserbündel hinzu, um auch diese mit ins Seil einzuarbeiten. Auf diese Weise entsteht ein homogenes Seil, das an allen Stellen eine ähnliche Zugfestigkeit besitzt.

Schritt für Schritt Anleitung:

  • Mehrere Fasern nehmen und in zwei Stränge aufteilen.
  • Befestigung der Faserstränge an einem Befestigungspunkt (Ast, Stock).
  • Gegeneinander verdrehen der Stränge.
  • Sichern der Endpunkte durch einen Knoten.
Seil drillen aus Fasern von Brennnesseln
Drille Seil aus Brennnesselfasern, indem du zwei zu Strängen gebündelte Fasern gegeneinander verdrehst.

Weiterverarbeitung zu Garn, Stoff, Kleidung

Verfügst du über viel Zeit, Geduld und bringst die entsprechende Lust mit, kannst du aus Brennnesselfasern Garn gewinnen und Kleidung daraus herstellen. Hierfür brauchst du geröstete (getrocknete) Brennnesseln, da du hieraus feinste und besonders strapazierfähige Fasern gewinnst.

Im nächsten Schritt werden die getrockneten Fasern gekämmt. Hierfür benötigst du einen Garnkamm. Die gekämmten Brennnesselfasern können nun gesponnen und zu Kleidung verwebt werden.

Alternative Faserpflanzen und andere Naturfasern

Hast du keine Brennnesseln zur Stelle, kannst du andere Naturfasern nutzen, um Seil daraus herzustellen.

Geeignete Pflanzen und Bäume zur Gewinnung von Naturfasern:

  • Hanf (Hanffasern)
  • Linden (Lindenbast)
  • Agave (Agavenfasern)
  • Brombeerstrauch (Brombeerfasern)
  • Gemeiner Lein (Faserlein)
  • Palmenblätter

Fazit

Brennnesseln sind Superpflanzen, die als Nahrungsmittel, Heilmittel oder zur Fasergewinnung Verwendung finden können. Fasern aus Brennnesseln können zu jeder Jahreszeit aus Brennnesseln gewonnen werden. Von Frühling bis Herbst lassen sie sich einfach von den frischen Brennnesseln ablösen.

Triffst du im Winter auf abgestorbene Brennnesseln, erhältst du bereits getrocknete Brennnesselfasern. Aus den Fasern der Brennnessel kann Schnur, Seil oder Garn hergestellt werden.

Auch wenn es schnell gehen muss wie in einer Überlebenssituation kannst du im Handumdrehen ein Seil aus Brennnesselfasern herstellen. Den Rest der Pflanze kannst du in so einer Situation direkt essen. Die Brennnessel ist reich an Proteinen, Mineralien und Vitaminen.

Hast du schon einmal Seil aus Brennnesseln gedrillt? Schreibe gerne einen Kommentar.

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